Am Mittwoch hatte der britische Premier Boris Johnson dem EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker seine Vorstellungen eines EU-Austritts vorgestellt - doch diese scheinen Juncker alles andere als überzeugt zu haben. Zu dem Text habe man viele Fragen, sagte eine Kommissionssprecherin nun. "Es gibt problematische Punkte im britischen Vorschlag, und mehr Arbeit ist nötig. Diese Arbeit ist vom Vereinigten Königreich zu leisten und nicht andersherum."
Johnsons Plan, den er zum Abschluss des Tory-Parteitags in Manchester präsentierte, sieht vor, dass die britische Provinz Nordirland nach dem Brexit in einer Zollunion mit Großbritannien bleibt. Nur so sei ein "sinnvoller Brexit" möglich, schreibt Johnson in einem Brief an Juncker. Denn durch diese Lösung sei die Handelspolitik nach dem Brexit "von Anfang an unter der Kontrolle des Vereinigten Königreichs" und London könnte Handelsabkommen mit dem Rest der Welt schließen.
Irland ist vom Brexit-Streit besonders betroffen. Um den Frieden auf der Insel nicht zu gefährden, will die EU Kontrollen an der Grenze zum britischen Nordirland unbedingt vermeiden. Den dazu im Austrittsvertrag vereinbarten "Backstop" will Johnson aber streichen. Dieser sieht vor, dass Großbritannien und Nordirland nach Ende einer Übergangsphase Ende 2020 in einer Zollunion mit der EU bleiben.
Als Ersatz präsentierte Johnson eine komplizierte Regelung, die Zollkontrollen erforderlich machen würde, wenn auch nicht direkt an der Grenze. Ziel sei es, "sicherzustellen, dass die Grenze zwischen Nordirland und Irland offen bleibt", bekräftigte Johnson. Kontrollen im Warenhandel mit Irland sollen demnach nicht an der Grenze, sondern nur "dezentralisiert" über Onlineformulare und Überprüfungen auf Firmengeländen und entlang der Lieferkette erfolgen.
Johnson schlägt auch vor, dass in Nordirland weiter EU-Standards für Agrarprodukte und andere Waren gelten. Das ist der EU wichtig, um ihren Binnenmarkt zu schützen. Allerdings will Johnson die Entscheidung, wie lange das gilt, in die Hand des nordirischen Regionalparlaments legen. Die Volksvertreter sollen alle vier Jahre entscheiden, ob es dabei bleibt.
Für Donnerstag setzte Juncker ein Telefonat mit dem irischen Ministerpräsidenten Leo Varadkar an, um Irland nochmals die volle Unterstützung der EU zuzusichern, wie die Sprecherin sagte. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier werde seinerseits die EU-Botschafter der Mitgliedstaaten über den Stand informieren.
Johnson sieht die Frage der Zuständigkeit anders als die EU-Kommission. "Wir haben große Flexibilität gezeigt", sagte er. Sollten die Europäer keinen "entsprechenden Willen" zeigen, bliebe Großbritannien nichts anderes übrig, als am 31. Oktober ohne Abkommen auszuscheiden.
Die EU sei bereit, konstruktiv mit der britischen Seite zusammenzuarbeiten, um einen geordneten britischen EU-Austritt zu bewerkstelligen, betonte die Kommissionssprecherin. Nun zähle aber jeder Tag. Der EU-Gipfel am 17. und 18. Oktober, bei dem der Brexit im Mittelpunkt stehen könnte, müsse rechtzeitig und gründlich vorbereitet werden.
spiegel
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